Bauprodukte und Normung – was kommt von Europa?

Der deutsche Gesetzgeber hat die europäische Bauproduktenrichtlinie durch das Bauproduktengesetz vom 10.08.1992 umgesetzt, die einzelnen Bundesländer haben im Zusammenwirken mit dem Deutschen Institut für Bautechnik entsprechende Regelungen in ihren Landesbauordnungen geschaffen.

Author: Dr. Alexander Schaumann

Diese Landesbauordnungen verwiesen dabei u. a. auf die Bauregelliste B, nach welcher das Deutsche Institut für Bautechnik ermächtigt wurde, festzulegen, welche der Klassen und Leistungsstufen Bauprodukte zur Umsetzung der Richtlinie erfüllen müssen. Für zahlreiche andere Bauprodukten wurden in den Bauregellisten der Landesbauordnungen die zusätzliche Kennzeichnung mit dem deutschen Ü-Zeichen oder eine besondere deutsche Zulassung („allgemeine bauaufsichtliche Zulassung“) verlangt. Bei Fehlen dieser Vorgaben war eine Verwendung dieser Bauprodukte in Deutschland ausgeschlossen.

Mit Urteil vom 16. Oktober 2014 (C-100) hat der EuGH festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Praxis der sogenannten „Nachregulierung“ bzw. „Überregulierung“ gegen die Bauproduktenrichtlinie verstoßen hat, da durch die Bauregellisten zusätzliche Anforderungen für den wirksamen Marktzugang und die Verwendung von diesen Bauprodukten in Deutschland aufgestellt wurden. Die Bundesrepublik Deutschland und die jeweiligen Bundesländer haben das Urteil des Europäischen Gerichtshofs daraufhin in der Musterbauordnung 2016 nebst technischen Baubestimmungen, welche die beanstandeten Bauregellisten ersetzen, vollständig umgesetzt.

Daraus ergeben sich für die Baupraxis diverse Probleme – z. B.:

  • Nach der Bauproduktenrichtlinie werden Produkte mit einem CE-Kennzeichen innerhalb der Union als „brauchbar“ angesehen – d.h., dass die Produkte so beschaffen sind, dass die Bauwerke, für die sie verwendet werden, bei ordnungsgemäßer Planung und Bauausführung den wesentlichen Anforderungen der Bauproduktenrichtlinie entsprachen.
  • Da der Hersteller eines Bauprodukts, das unter eine harmonisierte Norm fällt, im Rahmen seiner Leistungserklärung für die Berechtigung der CE Kennzeichnung nur eines der sogenannten „wesentlichen Merkmale“ angeben muss, handelt es sich dabei jedoch um keine verlässliche Informationsgrundlage. Eine solche läge nur vor, wenn die Kennzeichnung Leistungen für sämtliche Merkmale ausweist, die für die Beurteilung der Bauwerkssicherheit in dem Mitgliedstaat, in dem das Bauprodukt verwendet werden soll, relevant sind.
  • Die Brauchbarkeit eines Produktes nach der Richtlinie führt nicht zwingend dazu, dass dieses auch für den von dem Bauunternehmen nach seinem Bauvertrag geschuldeten Werkerfolg (das Bauwerk) geeignet ist und bestätigt auch nicht eine allgemein definierte Qualität oder Leistung des Bauprodukts (Stichwort: Gewährleisten der anerkannten Regeln der Technik).
  • Mit der CE-Kennzeichnung ist nicht geklärt, ob das europäisch harmonisierte Produkt auch im Zusammenwirken mit anderen Produkten geeignet ist, den Vertragszweck zu erfüllen („Systemtauglichkeit“). Da einzelne Mitgliedstaaten keine über die in den europäisch harmonisierten Normen genannten Produktspezifikationen hinausgehende Anforderungen an Bauprodukte formulieren dürfen, können wesentliche Anforderungen an ein Bauprodukt, die nicht in der Leistungserklärung des Herstellers CE-testiert enthalten sind, nur noch über materielle Anforderungen an das zu errichtende Gebäude eingefordert werden.
  • Der Hersteller eines Bauprodukts ist im Rahmen seiner Leistungserklärung zur Erlangung der CE-Kennzeichnung nicht verpflichtet, erschöpfende Angaben zu machen, die für die Errichtung eines bestimmten Bauwerks von Bedeutung sind. Die Leistungserklärung ist zwar auf bestimmte Verwendungen bezogen, nicht aber auch alle weiteren möglichen Verwendungen.

Diese – hier nur grob skizzierten – Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH stellen aktuell und zukünftig mithin u. a. die ausführenden Unternehmen und Planer von Bauvorhaben vor erhebliche praktisch Probleme.

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