Die weltweit erste 3D-gedruckte Siedlung wird derzeit in einer abgelegenen Gegend in Mexiko gebaut

Author: Niclas Ohlemann

„Der Wohnungsbau stagniert und kann mit der Nachfrage infolge des Bevölkerungswachstums nicht mehr Schritt halten. ...  Traditionelle Hausbaumethoden sind ineffizient und verschwenderisch. Die Baukosten für Wohnraum steigen stark an und in der Folge ist eine angemessene Unterkunft für Menschen in Entwicklungsländern nahezu unerschwinglich.“Mit dieser prägnanten Analyse haben sich Jason Ballard, Alex le Roux und Evan Loomis, die Gründer der Firma ICON auf den Weg begeben, eine Technologie zum Drucken von Häusern zu entwickeln und zu realisieren.

Der Drucker als Werkzeug gegen Obdachlosigkeit.

New Story, eine gemeinnützige Organisation, die vor fünf Jahren gegründet wurde, hat sich zum Ziel gesetzt, Menschen, die extremer Armut und unsicherem Wohnen ausgesetzt sind, eine angemessene Unterkunft zu bieten. New Story hat bis heute 2.700 Wohnungen für 15.000 Menschen in Gebieten wie Haiti, El Salvador, Bolivien und Mexiko gebaut. Diese Häuser wurden bisher auf traditionelle Weise gebaut. Vor zwei Jahren haben die Menschen von New Story begonnen, innovative Baulösungen für eine schnellere Gebäudeproduktion zu erforschen, die dem sich ständig ändernden sozialen Wohnungsbausektor und der Wohnungskrise gerecht werden.

New Story beschreibt seine Herangehensweise, die Ausbreitung von Obdachlosigkeit zu minimieren, in drei Schritten: “Erstellen”, “Nachweisen” und “Teilen”.

Im ersten Schritt werden Häuser und Siedlungen für Bedürftige auf effiziente Art und Weise mithilfe von schnellen Baumethoden errichtet. Dabei setzt New Story auf innovative und neuartige Bau-und Montagemethoden. Im zweiten Schritt werden diese Konstruktions- und Herstellungsmethoden, hinsichtlich Alterung, Dauerhaftigkeit sowie Unterhalt untersucht und verglichen. Wenn sich diese die neuen Methoden unter realen Bedingungen bewehren, wird das Wissen in einem dritten Schritt mit anderen gemeinnützigen Organisationen geteilt.

In Zusammenarbeit mit ICON, einem Unternehmen für Bautechnologie, hat New Story ein gemeinsames Projekt entwickelt, das vor kurzem in Tabasco, Mexiko, Gestalt angenommen hat. Die ersten beiden 3D-gedruckten Häuser einer mit Masterplan geplanten Siedlung sind fertiggestellt. Es ist das erklärte Ziel, die gesamte Siedlung von ca. 50 Häusern mit dem 3D-Druckverfahren zu bauen.

Der 3D-Drucker Vulcan II – ein sogenannter Großraum-3D-Drucker wurde entwickelt, um robuste einstöckige Häuser schneller als herkömmliche Bauweisen zu bauen. Die Maschine druckt die Wände aus einer speziellen Betonmischung auf Zementbasis und kann bei Bedarf ein bis zu 185m² großes Haus drucken.

Ein Haus von ca. 185m² kann in nur 24 Stunden gedruckt werden. Der Drucker von ICON wiegt etwa 900 Kilogramm, kann bei Stromausfall auch mit einem leistungsfähigen Akku betrieben werden und verfügt über eine LED-Beleuchtung für ein Drucken bei Nacht.

Der Vulcan II wird über ein Tablet gesteuert und kann von wenigen geschulten Personen geleistet werden. Der Druckvorgang ist relativ einfach: Der Drucker legt Schicht für Schicht der zementbasierten „Druckmasse“ derart aufeinander, wie wir es von Stiftplottern früherer Jahre noch kennen und formt so die Wände eines Hauses.

Die Betonmischung – das Filament – für den 3D-Drucker weißt Baustoffeigenschaften auf die zum einen sehr schnell abbinden und zum anderen extremen Witterungsbedingungen standhalten können. Am Ende des Druckvorgangs werden die nicht zu druckenden Bauteile und Installationen – wie Türen, Fenster, Elektro- und Sanitärinstallationen – montiert.

Die geplanten Häuser sind ca. 70m² groß und haben einen Wohnbereich, eine Küche, ein Badezimmer und 2 Schlafzimmer.

Die Errichtungskosten für den Bau der Häuser und der erforderlichen Infrastruktur wurden von den Spendern von New Story finanziert. Die gemeinnützige Organisation lehnte es ab, die Baukosten der Häuser zu benennen. Schätzungen aus der Entwicklungsphase gehen jedoch von ca. 4.000 USD oder weniger für Häuser zwischen 55 und 75 Quadratmeter aus.

"Das, worüber ich mich am meisten im neuen Haus freue, ist mein eigenes Zimmer, in dem ich lesen kann", sagte der 8-jährige Alan. "Wo ich jetzt lebe, können wir nicht viel lesen, denn wenn unsere Eltern uns Bücher kauften, wurden sie immer nass, weil das Dach undicht war."

Der lokale gemeinnützige Verein „Échale“ half bei der Auswahl der Familien, die überwiegend der indigenen Bevölkerung Tabascos angehören. Die zukünftigen Bewohner wurden in den Entwurfsprozess der Gemeinde und der Häuser selbst eingebunden; so hat sich z.B. die überwiegende Mehrheit der Familien Flachdächer gewünscht, um das Haus später einfacher ergänzen oder anpassen zu können.

Die Bewohner müssen sieben Jahre lang eine kleine Hypothek in Höhe von 400 Pesos (ca. 20 USD) pro Monat bezahlen. Die Hypotheken sind unverzinslich und das Geld fließt in einen Investmentfonds, der den Anwohnern zu Gute kommen soll. Viele Einwohner von Tabasco kämpfen mit Armut und Gewalt in ihren Gemeinden. Das mittlere Familieneinkommen beträgt dort ca. 77 USD pro Monat. Tabasco hat die höchste Arbeitslosenquote in Mexiko.

"Ich kann es kaum erwarten, Schlafzimmer zu haben, in denen meine Familie bequemer und vor Kälte und Mücken besser geschützt schlafen kann", sagte Isela, eine der zukünftigen Bewohnerinnen der Siedlung und Mutter von zwei Kindern. "Wenn es regnet, weiß ich, dass es nicht schlammig wird. Dies ist momentan bei uns Zuhause der Fall."

In der neuen Siedlung werden auch Parks und Grünflächen angelegt werden. Auch weil fast alle befragten Familien um eben diese Grünflächen in der Nähe ihrer Häuser baten. Ein Viertel der Befragten gab an, Grün als wichtigstes Merkmal ihres zukünftigen Umfeldes zu betrachten.

Die ländliche Lage der Siedlung und das regenreiche Klime stellten die Bauherren vor planerische und technologische Herausforderungen. Obwohl der eigentliche Druckprozess nur 24 Stunden pro Haus benötigte, dauerten Planung und Entwicklung 18 Monate.

Neben den beiden bereits fertiggestellten gedruckten Häusern, werden nun zügig 48 weitere Häuser gebaut.

Für die erste Erweiterung der Siedlung plant New Story, eine alternative Konstruktionsweise der Häuser mit dem Eco-Block. Das ist eine Art Ziegel aus organischen Abfällen, der tragfähiger als herkömmlicher Beton ist und überdies in der Herstellung weniger Kohlenstoffemissionen verursacht. Ziel ist es, nach der Fertigstellung von Häusern beider Konstruktions- und Herstellungsmethoden, diese hinsichtlich Alterung, Dauerhaftigkeit sowie Unterhalt zu untersuchen und zu vergleichen.

"Der Weg war nicht einfach", schreibt New Story auf seiner Website. "Stromausfälle können unvorhersehbar sein, und Regenfälle haben häufig die Zufahrtsstraßen zur Baustelle überflutet."

Derzeit leben die 50 Familien noch in ihren alten Häusern. Ein offizieller Einzugstermin steht noch nicht fest. Die beiden 3D-gedruckten Häuser werden erst bezogen, wenn die gesamte Community fertig ist.

 

 

 

Bilder: Joshua Perez
Herausgeber: Dipl.-Ing. Architekt BDA Andreas Thiele